Kreuzfahrten haben sich im Laufe der letzten 20 Jahre gewandelt. Was ursprünglich wenigen Wohlhabenden oder Gutverdienern vorbehalten war, ist im Zeitalter des Massentourismus zur Freizeitbeschäftigung breiter Bevölkerungskreise geworden. Kreuzfahrten sind vom Luxusimage befreit und unterliegen einem anderen Ansehen. Und es ist ein schlechtes Ansehen.
Hier eine kleine Auswahl der pauschalierten Standardvorurteile: Kreuzfahrten schaden der Umwelt und Kreuzfahrten sind verantwortlich für Overtourism.
Klimaaktivisten hinderten Kreuzfahrtschiff am Auslaufen
Im Kieler Hafen hinderten 50 Klimaaktivisten am Pfingstsonntag die Zuiderdam der Holland America Line über sechs Stunden am Auslaufen. Die Hafenverwaltung wertet die nicht angemeldete Protestaktion als Nötigung, Widerstand und Hausfriedensbruch. Nach Informationen des NDR Schleswig-Holstein seien die an dieser Aktion beteiligten Klimaaktivisten aus ganz Europa zur Schiffsblockade nach Kiel gereist. Wir wüssten gern, sind sie klimaneutral gelaufen oder mit dem Fahrrad angereist? Reisten sie mit PKW, Bahn oder Flugzeug nach Kiel?
In Barcelona und Venedig regt sich regelmäßig Protest gegen Kreuzfahrtschiffe. Für Palma de Mallorca fordern mehr als 20 Verbände täglich nur noch ein Kreuzfahrtschiff und maximal 4.000 Passagiere zuzulassen. Die Stadt Palma weise nach Barcelona die höchste durch Kreuzfahrtschiffe verursachte Luftverschmutzung auf. Allerdings sind die Vorwürfe pauschal. Es wird nicht differenziert, ob die Schiffe Abgaswäscher (Scrubber) verwenden, oder ob im Hafenbetrieb anstelle von Schweröl Marinediesel eingesetzt wird. Weshalb wird überhaupt auf die Kreuzfahrtbranche eingeprügelt, die von der Anzahl der Schiffe gerade ein Prozent des weltweiten Schiffsaufkommens ausmacht?
Oasis of the Seas im Hafen von Palma
Die Klagen über Overtourism
Und dann ist da noch das Stichwort Overtourism. Es wird der Eindruck erweckt, Kreuzfahrtschiffe seien für den überbordenden Städtetourismus verantwortlich. Für Dubrovnik in Kroatien mag das gelten. Nicht jedoch für Barcelona oder Venedig. Diese Städte sind derzeit „in“, ähnlich wie Berlin, Madrid und Paris. Dort ist die Kreuzfahrtbranche nicht für die negativen Folgen des Tourismus verantwortlich. - Wenn es wenigstens belastbare Zahlen gäbe: Leider liegen keine präzisen Statistikwerte zu dieser Thematik vor. Legen wir die vom Deutschlandfunk für Barcelona im Jahr 2018 genannten 27 Millionen Besucher zugrunde, stehen ihnen 2,58 Millionen Schiffspassagiere (Fährpassagiere eingeschlossen) gegenüber. In Venedig kommen 1,56 Millionen Kreuzfahrtpassagiere auf insgesamt 25 bis 30 Millionen Touristen. Aus vorstehenden Zahlen lässt sich nicht ableiten, dass Kreuzfahrtpassagiere maßgeblich zum Overtourism beitragen.
Barcelona - La Rambla
Viele Venezianer fordern seit Jahren die Reglementierung der Kreuzfahrtschiffe, die spektakulär den Giudecca-Kanal durchfahren. Nach einer Stellungnahme des römischen Verkehrsministeriums im Jahr 2017 sollen Kreuzfahrtschiffe zukünftig auf dem Festland in Marghera anlegen. Mit mehr als 96.000 BRZ vermessene Schiffe dürfen den Kanal ohnehin nicht mehr durchfahren. Es geht bei diesen Einschränkungen nicht allein um klimaschädliche Abgase sondern auch um die Schädigung der Fundamente der historischen Bausubstanz. Auffällig ist: Während Kreuzfahrtschiffe in Schleichfahrt durch den Giudecca-Kanal gleiten fahren die allgegenwärtigen Wassertaxen und Vaporetti mit hoher Geschwindigkeit durch die Kanäle. Geht von diesen Fahrzeugen keine Gefährdung der Bausubstanz aus?
Eurodam auf Schleichfahrt in Venedigs Giudecca-Kanal
Kommerzielle Interessen der Hafenbetreiber
Generell entscheiden die Hafenbehörden und nicht die Kreuzfahrtunternehmen, wieviel Schiffe einen Hafen besuchen. Einschränkungen machten vermutlich Sinn; wäre da nicht der verflixte Kommerz. Aus reinem Altruismus wurden keine großdimensionierten Abfertigungsanlagen für Kreuzfahrtschiffe geschaffen. Kreuzfahrtschiffe sichern Arbeitsplätze im Hafen, bringen Umsätze bei der Hafengesellschaft, den Tour-Veranstaltern, dem örtlichen Handel und in der Gastronomie. Sie alle leiden, wenn die Schiffe ausbleiben.
Unstrittig ist, dass in der Kreuzfahrtbranche vieles schief läuft. Angefangen bei den Preismodellen, der Verschwendung von Lebensmitteln an Bord der Schiffe und endend bei der Arbeitsbelastung und der im Vergleich zu deutschen Löhnen schlechten Entlohnung der „einfachen“ Crew-Mitglieder. Den Kreuzfahrtunternehmen allein ist kein Vorwurf zu machen. Wir als Nachfrager von Kreuzfahrten sollten bewusster mit dem Thema umgehen. Und Populismus hilft erst recht nicht.