An einem Freitag, morgens gegen 9:00 Uhr, legt die Celebrity Summit im kanadischen Charlottetown auf Prince Edward Island an. Von den oberen Decks unseres Schiffes blicken wir auf die im Jahr 1765 gegründete Stadt, zwei Marinas mit Sportbooten und die weitläufige Bucht hinab.
Prince Edward Island – ein geschätztes Touristenziel
Die circa 87.000 Einwohner (Großraum Charlottetown geschätzt Juli 2022) zählende Stadt ist das Tor zu Kanadas kleinster Provinz. Auf 5.660 Quadratkilometern leben mehr als 170.000 Menschen. Sie bewohnen vorwiegend Gemeinden und kleine Städte. Der wichtigste Wirtschaftszweig ist der Tourismus, gefolgt von Landwirtschaft und Fischerei.
Air Canada bietet über das ganze Jahr Direktflüge von Halifax, Montreal und Toronto nach Charlottetown. In den sommerlichen Spitzenzeiten finden Flüge nach Ottawa statt. Selbst vom JFK-Flughafen in New York bestehen saisonale Flugverbindungen nach Prince Edward Island, das der Einfachheit halber mit „PEI“ abgekürzt wird. Autofahrer queren die Northumberland-Straße an ihrer schmalsten Stelle mittels einer gigantischen, nahezu 13 Kilometer langen zweispurigen Brücke, und in den Sommer- und Herbstmonaten zeigen Kreuzfahrtunternehmen den staunenden Passagieren ihrer Schiffe die wunderschöne, abwechslungsreiche Landschaft der „Rolling Hills“.
Die Rolling Hills von PEI
Die Rolling Hills, die sanft geschwungene Hügellandschaft mit den ausgedehnten Agrarflächen, den kleinen Wäldern und den vielen Wasserflächen möchten wir sehen. Fast neun Stunden Aufenthaltszeit sieht Celebrity Cruises‘ Routenplanung für PEI vor. Das ist genügend Zeit für eine ausführliche Inselrundfahrt und einen anschließenden Stadtrundgang durch Charlottetown. Wie immer ziehen wir eine individuelle Tour einem organisierten Ausflug vor.
Inselrundfahrt mit dem Taxi
Zusammen mit einem amerikanischen Paar teilen wir uns ein Taxi. Anfangs stellt sich das Unterfangen als etwas holperig dar: Ein Dispatcher verteilt die Gäste auf bereitstehende Taxen. Gefordert werden 60 Kanadische Dollar als Stundentarif. Wir und unsere Amerikaner allerdings wollen nur maximal 200 Dollar für die vierstündige Tour zahlen. – Um es kurz zu machen, die New Yorker Beredsamkeit unserer Begleiterin schlägt das provinzielle Beharrungsvermögen unseres Fahrers Wilbert. In den folgenden Stunden haben wir in ihm nicht nur einen exzellenten Fahrer sondern auch einen guten Fremdenführer. Er bringt uns zu jenen maßgeblichen Zielen, die neugierige Kreuzfahrttouristen bei ihren organisierten Bustouren ebenfalls zu sehen bekommen.
Charlottetown - Wilberts Taxi
Besuch der „Green Gables Shore“
Unsere Fahrt beginnt vor dem Cruise Terminal von Charlottetown und führt uns zuerst quer durchs Land in den Inselnorden ins an der Rustico Bay gelegene North Rustico. Diese Gegend wurde von den Touristikmanagern „Green Gables Shore“ genannt.
Das Land ist sanft gewellt. Agrarland, einzelne Gehöfte und kleine Ansiedlungen überwiegen. Auf den Straßen fährt kaum ein Auto. Zwischendurch sehen wir Gewässer und alleinstehende, ansehnliche Wohnhäuser auf weitläufigen Grundstücken. Dem Anschein nach musste beim Erwerb der Bauflächen nicht mit Grund und Boden gegeizt werden. Irgendwo weist ein Schild auf das Haus der „Pineaus“ hin. Jemand anderes stellt auf seinem Grundstück historische Traktoren und Erntegeräte zur Schau. Wir gelangen zu der Erkenntnis, dass die Welt in diesem beschaulichen Flecken Kanadas dem Anschein nach in Ordnung ist. Zu allem Überfluss scheint die Sonne und die Temperaturen sind angenehm.
Im Norden der Insel liegen lange Sandbarriere-Inseln, die Nehrungsküsten bilden. North Rustico besitzt einen kleinen Hafen, Dünen, Sandstrände, einen Andenkenladen mit dem hübschen Namen „Seagulls Nest“, ein kleines Leuchtfeuer und … und ... In dieser Region sind die Hummerfischer zuhause.
Die „Green Gables Shore“ leitet ihren Namen von einem erfolgreichen Kinderbuch der Autorin Lucy Maud Montgomery ab. Wer kennt in Skandinavien oder im deutschsprachigen Raum nicht die Geschichten um „Pippi Langstrumpf“? „Anne of Green Gables“ ist das kanadische Pendant dieser Geschichten. Die Erzählung beschreibt das Leben des Waisenmädchens Anne, das in der Landschaft der grünen Giebel aufwächst. Im Ort Cavendish nahe der Kreuzung der Route 13 mit der Route 6 liegt die „Lucy Maud Montgomery’s Cavendish National Historic Site“. Für jene Gäste, die das Haus mit den grünen Giebeln sehen möchten wurde ein Besucherzentrum eingerichtet. Nur wenige Kilometer entfernt liegt das kleine Wohnhaus der Autorin. Es ist Ehrensache, dass uns Wilbert auch dieses niedliche Häuschen zeigt.
Borden-Carleton – unser nächstes Ziel
Zwischen Cavendish und unserem nächsten Ziel liegen circa 30 Kilometer Luftlinie. Das Ziel ist Borden-Carleton, ein Weiler an der Südküste der Insel. Die Straßen führen uns erneut durch die bereits vertraute Hügellandschaft, an der wir uns nicht sattsehen können.
PEI - katholische Kirche bei Summerfield
Im ehemaligen Fährhafen Borden-Carlton steht an der schmalsten Stelle die 1997 fertiggestellte Confederation Bridge. Sie überspannt in elegantem Bogen die Northumberland-Straße zwischen PEI und der Nachbarprovinz New Brunswick. Mit 12.880 Metern Länge ist sie die längste Brücke Kanadas. Das hoch aufragende Bauwerk gilt als ingenieurtechnische Meisterleistung; schließlich muss es im Extremfall schwerem Eisgang widerstehen. Am späten Abend wird unser Schiff noch dieses gewaltige Brückenbauwerk passieren. Bei Bayfield trifft die Brücke in der Provinz „Neubraunschweig“ auf das kanadische Festland.
Vor dem Bau der Brücke mussten sich die Autofahrer einer Fähre anvertrauen. Das alte Fährhaus steht noch unterhalb der Brücke. In der Nähe des Fährhauses wurde ein Besucherzentrum mit Café, Toilettenanlagen und Andenkenshop errichtet.
Das nächste Ziel – Victoria-By-the-Sea
Unser Fahrer Wilbert nimmt mit seinem Dodge nun Kurs auf Victoria-By-the-Sea. Der kleine, schön gelegene Ort besitzt ebenfalls einen historischen Hafen. Victoria hat sich als Künstlerkolonie einen Namen gemacht. Ein paar Andenkenläden und ein auf einer Anhöhe stehender Leuchtturm runden das Ensemble ab.
PEI - unterwegs zwischen Victoria und Cornwall
Rückfahrt nach Charlottetown
Nach ungefähr vier Stunden endet die Fahrt wieder am Kreuzfahrtterminal von Charlottetown. Zuvor sehen wir noch die Außenbezirke der Mittelstadt und die ausgedehnten Einrichtungen der University of Prince Edward Island. Die Fahrt durch das Stadtzentrum festigt unseren Wunsch nach einem Stadtrundgang. Doch zuvor erfrischen wir uns an Bord der Celebrity Summit.
Charlottetown wartet
Charlottetowns Zentrum ist streng geometrisch gegliedert. Die rastermäßige Anlage der Straßen erleichtert die Orientierung ungemein. Wir starten unseren Rundgang durch das historische Zentrum der Stadt an der „Historic Charlottetown Waterfront“. Den lockenden Angeboten, die „Prince Edward Island Brewing Co.“ zu besuchen, oder das Lobster Dinner im „Steamers Fresh Seafood Floating Restaurant“ einzunehmen, widerstehen wir. Auch der schwimmfähige Omnibus „Harbour Hippo“ kann uns nicht locken.
Founders Hall – sehenswert
Vor uns liegt in der Prince Street „Founders Hall“. In der weitläufigen Halle vermitteln uns moderne audiovisuelle Techniken Einblicke in die kanadische Geschichte. Immerhin ist Charlottetown ein historischer Ort. Hier kamen im Jahr 1864 die Vertreter der zuvor britischen Provinzen zusammen, um die Errichtung der kanadischen Konföderation zu beschließen.
St. Dunstan’s Basilica Cathedral
Unser nächstes Ziel ist die Great George Street. Das bedeutendste Bauwerk dieser Straße ist die St. Dunstan’s Basilica, die römisch-katholische Kathedrale der Diözese Charlottetown. Sie wurde im Stil französischer Kirchenbauten in den Jahren zwischen 1897 und 1907 errichtet. Kaum dass sie fertiggestellt war, musste sie nach einem Brand im Jahr 1913 auf Basis der ursprünglichen Pläne neu errichtet werden. Die helle, lichte Kathedrale besitzt einen eindrucksvollen Altar, eine mächtige Orgel und schöne, zeitgemäße Bleiglasfenster.
Eine Erinnerung an die Konferenz von Charlottetown
Der Kathedrale gegenüber sehen wir eine Bronzeskulptur, die an die Konferenz von Charlottetown erinnert. Sie zeigt die beiden gleichnamigen Delegierten John Hamilton Gray in natürlicher Größe bei einer lebhaften Diskussion. Der eine Gray war der konservative Premier von PEI, der andere Gray war einer der fünf Abgesandten aus dem kanadischen New Brunswick.
Erinnerung an die Konferenz von Charlottetown
Repräsentative öffentliche Bauten
Von der Kathedrale geht der Blick hinüber zum Province House, dem Sitz des Parlaments der Provinz Prince Edward Island. Die Gesetzgebende Versammlung der Provinz tagt dort seit dem Jahr 1847. Im Jahr 1864 versammelten sich in dem historischen Gebäude die Delegierten der Charlottetown Conference. Dem Gebäude wurde der Status eines nationalen Erbes verliehen. Zur Erinnerung an das 150-jährige Jubiläum der Konferenz wurde 2014 vor der Seitenwand des Province House das Jahr 1864 in mannsgroßen Zahlen errichtet.
Neben dem Province House liegt das Honourable George Coles Building. Der Backsteinbau beherbergte viele Jahre das Oberste Gericht der Provinz. Seit den 1970-iger Jahren befinden sich dort Büros sowie Archivräume. Beide Gebäude sind von einer weitläufigen Grünanlage umgeben.
Denkmal zwischen Province House und Hon. George Coles Building
Zum Province-House-Komplex zählt ebenfalls noch das Confederation Centre of the Arts. Das Kunstzentrum wird als kanadische Gemeinschaftsleistung gepriesen. Die kanadischen Bundesbehörden sowie alle Provinzen des Landes steuerten insgesamt 5,6 Millionen Dollar an Budgetmitteln zur Errichtung des einen Straßenblock umfassenden Gebäudes bei. Mehrere Theatersäle, eine Kunstgalerie, eine öffentliche Bibliothek, ein Restaurant und ein Ladengeschäft füllen den Bau.
Die aus Löffeln geformte Skulptur eines Blauflossen-Thunfischs
Die unterhalb der Gebäude verlaufende Richmond Street wird zwischen der Queen Street und der Great George Street über eine kurze Distanz von der Victoria Row, einer attraktiven Fußgängerzone mit Bars, Läden und Restaurants, unterbrochen. An der Straßenkreuzung, Anschrift: 97, Queen Street, steht eine lebensgroße Skulptur eines überwiegend aus rostfreien Löffeln gefertigten Blauflossen-Thunfischs. Die Kunst im öffentlichen Raum ist ein Beleg für die über Jahrhunderte währende Fischereitradition der Region.
Skulptur eines Blauflossen-Thunfischs
Victoria Park
Ein wichtiges Ziel, der Victoria Park, bleibt noch zu besuchen. In der weitläufigen, öffentlichen Parkanlage liegt die herrliche Residenz des „Lt. Governor“. Man erreicht sie von der Queen Street kommend über Crafton Street und Rochford Street. An der Kent Street wird nach links abgebogen. Von der Kreuzung sind es nur noch wenige Schritte bis zum Beaconsfield Historic House. Es bot seinen ehemaligen Bewohnern einen freien Blick über den Naturhafen von Charlottetown. Der Bau ist ein vorzügliches Beispiel viktorianischer Architektur. Ursprünglich war das Gebäude der Sitz einer reichen Kaufmannsfamilie. Nun ist das Haus ganzjährig als Veranstaltungsort konzipiert und für Besucher geöffnet. Ein Andenkenladen bietet Bücher über die Insel, Magazine, Töpferwaren, Drucke und Schmuckstücke an.
Die Lt. Governor’s Residence dient dem Sachwalter der britischen Krone als Dienstsitz. Den dann und wann auf der Insel vorbeischauenden Mitgliedern der englischen Königsfamilie wird in dem prachtvollen weißen Gebäude die ihnen geziemende Unterkunft geboten.
Lt. Governor’s Residence
Folgt man der Kent Street in Richtung Zentrum, ist das gewaltige Gebäude der City Hall nicht zu übersehen. Im Jahr 1888 wurde das Rathaus im „Romanesque Revival Style“ errichtet. Seit dem Jahr 1984 besitzt es den Status einer National Historic Site of Canada. Das Bauwerk repräsentiert den damaligen Wohlstand der Stadt Charlottetown. Ein prächtig restauriertes, historisches Feuerwehrfahrzeug schmückt die Vorderfront des Rathauses. In der Vergangenheit waren im Rathaus auch die Polizeistation und die Zentrale der Feuerwehr untergebracht.
Historisches Feuerwehrauto vor City Hall
Wir gehen nicht zum Rathaus hinüber, sondern entscheiden uns für den Weg zurück durch die West Street. Wir folgen einem Promenadenweg, der uns zurück zum „Delta Hotel“ an der Hafenfront führt. Hinter dem Hotel warten noch die Läden und Restaurants der Peake’s Wharf Merchants-Ladenzone auf ausgabefreudige Besucher. Am kleinen Yachthafen führt der Weg vorbei zur Grünanlage Confederation Landing.
Während unseres Besuches wurde die Fläche leider umgebaut. Es schließt sich noch eine zweite Marina an und danach betreten wir bereits das Cruise Terminal von Charlottetown, das von unserem Schiff überragt wird.
Marina
Wir empfinden Charlottetown auf PEI als sehr angenehm. Wir werden die Stadt bestens in Erinnerung behalten. Sowohl die Rundfahrt über einen weiten Teil der Insel als auch der Stadtrundgang sind jedem Besucher während eines ganztägigen Aufenthalt wärmstens zu empfehlen.
Update Mai 2023