An einem Sonntag im September endet unsere Kreuzfahrt mit der Azamara Journey im Londoner Stadtteil Greenwich. Bevor wir am Abend von Stansted zurück nach Deutschland fliegen, halten wir uns den Tag über in London auf. Es bleibt genug Zeit, um in London Neues zu entdecken und Bekanntes aufzufrischen.
Ein klassisches Londoner Taxi bringt uns von Greenwich zum Bahnhof Liverpool Street Station. Von dort werden wir am späten Nachmittag zum Flughafen Stansted fahren. Wir übergeben das Gepäck der Gepäckaufbewahrung und starten unsere individuelle Tour durch die City of London.
Liverpool Street Station
Neue und traditionelle Architektur verbinden
Vom Bahnhof sind es nicht mehr als zehn Minuten Fußweg bis zu unserem ersten Ziel, dem 180 Meter hohen Büroturm des Rückversicherers Swiss Re. Federführend beim Entwurf des Gebäudes war der britische Stararchitekt Norman Foster. Von der Form her erinnert der Bau an den Torre Agbar in Barcelona. Die Londoner nennen ihn wegen seiner Form Gherkin, zu Deutsch Essiggurke. Außergewöhnlich ist der Turmbau wegen seiner rautenförmigen Glasfassade. Leider bietet The Gherkin interessierten Besuchern keine Aussichtsplattform.
Eine (kostenlose) Aussichtsplattform nebst einem 360°-Panoramablick bietet dagegen der weniger als 500 Meter von The Gherkin entfernte „Sky Garden London“. Ihn findet man in der 35. Etage des „Walkie Talkie“-Hochhauses an der Anschrift 20 Fenchurch Street. Zum Panoramablick aus mehreren Ebenen genießen Pflanzenliebhaber das üppige Grün der überdachten Pflanzungen. Für das leibliche Wohl wird ebenfalls Sorge getragen.
Bald darauf erreichen wir den zwischen der Gherkin und dem Tower of London gelegenen Leadenhall Market. Er hält dem Vergleich zum Covent Garden Market stand. Anders als jener ist er touristisch wenig erschlossen. Die Konstruktion aus dem Jahr 1881 besteht überwiegend aus Gusseisen und Glas. Der Markt versorgt die zahlungskräftigen Käufer aus der Londoner Finanzwelt mit Delikatessen und Wein. Daneben gibt es Restaurants, Bars und kleine Läden. Selbst als Kulisse für einen Harry-Potter-Film diente der Leadenhall Market.
Leadenhall Market
Unser nächstes Ziel ist der Tower of London, den wir nach weiteren zehn Minuten erreichen. Mit dem Bau des White Tower wurde vor rund 940 Jahren, im Jahr 1078 begonnen. Der Tower war königlicher Palast, Festung, Gefängnis und Hinrichtungsstätte. Er diente später als Münzanstalt, Arsenal und seit dem Jahr 1995 als Aufbewahrungsort der Kronjuwelen. Im Jewel House gleiten Besucher auf einem Laufband an den Preziosen vorbei. Yeoman Warders, im Volksmund Beefeater genannt, führen Neugierige durch das Gebäude. Umgeben ist der Tower von einem zweifachen Festungsring. In früheren Zeiten fuhren Boote von der Themse auf direktem Weg in den Tower. Dazu nutzten sie das Traitors Gate.
Tower of London
Eine weitere berühmte Landmarke Londons ist die Tower Bridge. Nur wenige Schritte liegen zwischen dem Tower und der legendären Klappbrücke. Die im neugotischen Stil erbaute Themse-Überführung wurde vor mehr als 100 Jahren gebaut. Die beiden Türme sind 65 Meter hoch. Sofern größere Schiffe die Tower Bridge passieren, werden die Klappen geöffnet. Fußgänger passieren die Brücke im geöffneten Zustand auf Stegen in 43 Meter Höhe über dem Wasser. Diese Fußwege bieten großartige Blicke auf London. Das alte Maschinenhaus mit den zwischenzeitlich außer Dienst gestellten Dampfmaschinen ist zur Besichtigung freigegeben.
Entdeckungen am Bankside-Ufer
Die Bankside verläuft parallel zum südlichen Themse-Ufer. Kurz hinter der Tower Bridge steht City Hall, ein knollenartiges, 45 Meter hohes Gebäude. Norman Foster hat es entworfen. Er hat wahrscheinlich nicht erwartet, dass sein Werk nach der Fertigstellung respektlos mit dem Helm von Darth Vader oder einem Kürbis verglichen wurde. City Hall ist der Verwaltungssitz der Greater London Authority und Dienstsitz des Mayor of London.
London City Hall
Für The Shard, die Scherbe, bleibt uns keine Zeit. Es wäre reizvoll, London von einer der Aussichtsplattformen im 68, 69 und 72 Stockwerk aus bis zu 232 Meter Höhe zu sehen. Das Gebäude ist 310 Meter hoch und damit das höchste Bauwerk in Westeuropa. Der bekannte Architekt Renzo Piano hat es entworfen.
Öffnungszeiten: 10:00 bis 22:00 Uhr mit fester Eintrittszeit. - Ticketpreis: 24 £ bei Vorausbuchung.
The Shard
Auf dem Weg zum Boroughs Market passieren wir Hay's Galleria. Die Passage ist ein gutes Beispiel, wie aus einem alten, verkommenen Tee-Lagerhaus ein modernes, multifunktionelles Gebäudeensemble entwickelt wurde. Hay’s Galleria umfasst Büros, Restaurants, Läden und Freiflächen. Benannt ist es nach dem ersten Eigentümer, dem Kaufmann Alexander Hay, der im Jahr 1651 einen Vorgängerbau erwarb.
Hay's Galleria
Der Borough Market gefällt uns ebenfalls; er ist Londons ältester Lebensmittelmarkt. Er wird vorwiegend von Erzeugern beschickt. Zudem gibt es einen großen, abwechslungsreichen Street Food-Bereich, in dem leckere Speisen aus allerlei Nationen angeboten werden. Die Ursprünge des Borough Markets reichen 1000 Jahre zurück.
Borough Market
Borough Market
Neben dem Borough Market steht die Southwark Cathedral, eine anglikanische Bischofskirche. Der gotische Bau stammt vorwiegend aus der Zeit zwischen 1220 und 1420. Bischofskirche ist das Gotteshaus seit dem Jahr 1905.
London - Southwark Cathedral
London - Galeone Golden Hinde
Als Nächstes sehen wir das Segelschiff Golden Hinde. In dem von der Themse abgehenden St Mary Overie's Trockendock wird an der Rekonstruktion einer 37 Meter lange Galeone gearbeitet. Mit einem solchen Schiff umsegelte Sir Francis Drake als erster Engländer zwischen 1577 und 1580 die Welt. Die ursprüngliche Golden Hinde sollte ihm zu Ehren für die Nachwelt erhalten bleiben. Das Schicksal meinte es anders mit dem Schiff. Es zerfiel, und die Überreste wurden im Jahr 1662 abgeräumt. Ein zweiter Nachbau des Schiffs liegt im Südwesten Englands in Brixham/Grafschaft Devon.
Im Anschluss passieren wir Winchester Palace. Von der alten Pracht sind nicht mehr als eine hohe Wand aus Bruchsteinen mit einer Rosette und ein paar Pflanzbeete erhalten. Im frühen 13. Jahrhundert war Winchester Palace die Residenz des Bischofs von Winchester. Der Palast zählte zu den prächtigsten Bauten der damaligen Zeit. Alte Abbildungen zeigen einen gewaltigen, aus mehreren Teilen bestehenden Gebäudekomplex.
Ein weiterer Zeitzeuge ist das Golden Globe Theatre. Gegen Ende des 16 Jahrhunderts war der Ortsteil Bankside Londons Vergnügungszentrum. Es gab bereits mehrere Theater, als entschieden wurde, zusätzlich das Golden Globe Theatre zu errichten. Der Bau des großen, runden und offenen Theaters war im Jahr 1599 abgeschlossen. Der dreistöckige Rundbau fasste mehr als 3.000 Menschen, und im Golden Globe wurden ausschließlich Werke von Shakespeare aufgeführt. Der Dramatiker und Lyriker war an dem Theater mit 12,5 Prozent beteiligt. Da die Sicherheit des Theaters auf Dauer nicht gewährleistet war, wurde es später abgerissenen. Der aktuelle Theater-Bau wurde im Jahr 1997 mit 1.500 Sitzplätzen neu errichtet.
Shakespeares Globe Theatre
In Sichtweite des Globe Theater liegt die 325 Meter lange Millennium Bridge. Die Fußgängerbrücke führt über die Themse und verbindet den am Südufer der Themse liegenden Stadtteil Southwark mit der City of London. Die Londoner verdanken das überaus elegante Bauwerk ebenfalls Sir Norman Foster. Anfänglich gab es Probleme mit unkontrollierten Schwingungen. Die sind mittlerweile behoben.
Millennium Bridge
Ikonen des nördlichen Themse-Ufers
Von der Millennium Bridge führt der direkte Weg vorbei am Firefighters Memorial hoch zur St Paul's Cathedral, der Bischofskirche der Church of England. Mit 158 Meter Länge zählt ihr Kirchenschiff zu den längsten der Welt. Die dem Schutzheiligen Londons gewidmete Kathedrale ist die fünfte Kirche in Folge an diesem Standort. Das prächtige Gebäude war oftmals Veranstaltungsort königlicher Hochzeiten und von Begräbniszeremonien. Bedeutende Persönlichkeiten des Landes fanden in der Kathedrale ihre letzte Ruhestätte. Touristen ist der Besuch der Kirche und der Krypta zu empfehlen. Dort befinden sich ein Buffetrestaurant, eine Cafeteria und ein Andenken-Shop.
An der Stelle, an der im Mittelalter der Klerus der Old St Paul's das Vaterunser betete, verlief die Paternoster Row. Nach ihr wurde der Paternoster Square neben der Kathedrale benannt. In der Mitte des Platzes steht die Paternoster Square Column, eine 23 Meter hohe korinthische Säule. An ihrer Spitze befindet sich eine blattvergoldete, flammende Urne. Zwischen dem Platz und der St Paul's Cathedral steht der Temple Bar Torbogen. Das alte Stadttor stammt aus dem Jahr 1672. Ursprünglich stand es an der Stelle, an der die Fleetstreet in die Straße Strand übergeht. Fleetstreet ist seit dem 18. Jahrhundert der traditionelle Standort der britischen Medien.
Paternoster Square
Temple Bar Torbogen
Auf Höhe des Royal Courts of Justice geht die Fleetstreet in die Straße Strand über. Ein auf einem steinernen Podest stehender Greif markiert den Übergang. Er ist zugleich der westlichste Punkt der City of London.
Royal Courts of Justice
Der Covent Garden Market ist für uns eine der Hauptattraktionen unseres Londoner Besuchsprogramms. Bis in die 1960er Jahre wurde der Covent Garden als permanenter Markt genutzt. Seit den 1980er Jahren ist der Markt ein Anziehungspunkt für Touristen. Vor den Hallen liegt die mit Kopfstein gepflasterte Covent Garden Piazza. Sie weist eine Vielzahl gastronomischer Einrichtungen auf. In den Hallen finden die Besucher weitere gastronomische Angebote und eine Anzahl interessanter Läden.
Covent Garden - von Russell Street gesehen
Covent Garden - Innenbereich
Zehn Minuten Fußweg liegen zwischen dem Covent Garden und dem Trafalgar Square, dem größten öffentlichen Platz Londons. Seine heutige Gestaltung erfuhr er zwischen 1840 und 1845.
Die wesentlichen Merkmale des Platzes sind zwei große Brunnenanlagen und die Nelsonsäule. Sie ehrt Admiral Horatio Nelson, der bei der Schlacht um Trafalgar sein Leben verlor. Die Nelsonsäule, mit dem Admiral auf der Spitze, misst 51 Meter. Dieser Wert entspricht der Gesamthöhe der HMS Victory. Sie war Nelsons Flaggschiff und maß vom Kiel bis zur Mastspitze 51 Meter. Um die Säule herum lagern vier riesige Bronzelöwen. Die beiden Brunnenanlagen sind ebenfalls zwei verdienten britischen Admiralen gewidmet.
Im Norden begrenzt die National Gallery den Platz. Sie ist weltweit eine der bedeutendsten Gemäldesammlungen. Die 1824 gegründete Galerie zählte im Jahr 2019 sechs Millionen Besucher.
Freier Eintritt
London - Trafalgar Square - Nelsonsäule
Trafalgar Square - National Gallery
An den Trafalgar Square grenzt die Kirche St Martin-in-the-Fields. Sie wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts erbaut. Ungewöhnlich ist der in den Portikus integrierte Turm. Zur damaligen Zeit stellte dies eine architektonische Neuerung dar. In späteren Jahren errichtete US-amerikanische Kirchen weisen häufig dieses Stilelement auf. Den Annalen der Kirche ist zu entnehmen, dass im Jahr 1222 eine erste Kirche an diesem Standort gebaut wurde. In jener Zeit lag sie in den Feldern zwischen Westminster und London.
Trafalgar Square - St Martin in the Fields
Weil der nahegelegene Buckingham Palace zur Kirchengemeinde von St Martin zählt, ist sie die offizielle Kirche des Königshauses, und sie ist zugleich die Kirche der Admiralität. Erst nach 1900 öffnete sie sich den Armen und Obdachlosen. Die Kirche wird nebenher als Konzertsaal verwendet, in dem regelmäßig die Academy of St Martin-in-the-Fields auftritt.
Nach wenigen Minuten erreichen wir Piccadilly Circus, der zu Londons wichtigen öffentlichen Plätzen zählt. Seit 1819 verbindet er die Regent Street mit der Piccadilly. Nicht zu übersehen ist die Shaftesbury Memorial Fountain, eine von einer geflügelten Gestalt gekrönte Brunnenanlage. Sie stellt den Engel der christlichen Nächstenliebe dar, was die prüden Viktorianer nicht hinderte, die nackte Figur „Eros“ zu nennen. Die markante Brunnenanlage dient seit langem als Treffpunkt für jedermann.
Piccadilly Circus
Unser Rundgang endet am Piccadilly Circus
Am Piccadilly Circus endet unser mehrstündiger Rundgang durch London. Es ist an der Zeit, ein Taxi zurück zum Bahnhof Liverpool Street Station zu nehmen. Der Stansted Express bringt uns zum Flughafen London-Stansted, wo unser Flugzeug nach Deutschland pünktlich startet.
In der Rückschau stellen wir fest: Der Wettergott war uns wohlgesonnen, und wir trafen freundliche Menschen. Wir haben in wenigen Stunden etliches gesehen. Vieles war uns bekannt, doch die neuen Eindrücke sind überwältigend. London ist es wert, zu Fuß entdeckt zu werden.