Weniger als 30 Kilometer trennen die toskanische Hafenstadt Livorno von Pisa. Unser Kreuzfahrtschiff liegt für einen Tag in Livorno; wir nutzen die Gelegenheit, um Pisa auf eigene Faust zu entdecken. Die Personenzüge der italienischen Staatsbahn sind uns bei diesem Vorhaben ein große Hilfe.
Italiens Züge sind nach unseren Erfahrungen pünktlich, sauber und preisgünstig.
Züge fahren im Stundentakt von Livorno nach Pisa und zurück. In Hauptverkehrszeiten etwas häufiger.
Wissenswertes über Pisa
Pisas unumstrittenes Wahrzeichen ist der Schiefe Turm. Seinetwegen kommen jedes Jahr unzählige Besucher in die Stadt am Arno. Der Schiefe Turm ist nicht alles! Was bietet die Stadt noch an Sehenswertem, und was sollte man auf jeden Fall über Pisa wissen?
Menschenmassen vor Dom und Schiefem Turm
Unklar ist, ob Griechen, Ligurer oder Etrusker die Stadt gegründet haben. Fest steht: Pisa war ursprünglich ein römischer Militär-Stützpunkt. Im Mittelalter avancierte Pisa zu einer der vier bedeutendsten Seerepubliken des Mittelmeerraumes, und Livorno war der Hafen. – Heutzutage wohnen rund 90.000 Menschen in der vom Fluss Arno zweigeteilten Hauptstadt der Provinz Pisa.
Der Arno-Fluss
Dank des Schiefen Turms ist die Stadt eines der bedeutendsten touristischen Ziele Italiens. Der Tourismus sowie drei Hochschulen prägen die Stadt. Neben der Università di Pisa, einer der ältesten und renommiertesten Universitäten des Landes, darf Pisa mit zwei weiteren staatlichen Eliteuniversitäten aufwarten. Die Zahl aller Studierenden wird auf 40.000 bis 50.000 beziffert. Als die berühmtesten Söhne der Stadt gelten der Universalgelehrte Galileo Galilei und der Mathematiker Fibonacci.
Universitätsinstitut an der Piazza Felice Cavalotti
Gäbe es nicht den Schiefen Turm, wäre Pisa eine der vielen historischen Städte der Toskana; vergleichbar mit Florenz, Lucca, San Gimignano oder Siena. Wir haben uns entschieden, den Schiefen Turm und weitere bedeutende Sehenswürdigkeiten bei einem am Bahnhof, der Stazione Pisa Centrale, beginnenden und endenden Rundgang anzusehen. Zur Eile besteht kein Anlass, alle Ziele sind fußläufig gut zu erreichen, und für einen Mittagsimbiss und einen Espresso bleibt ebenfalls genügend Zeit.
Pisas Zentralbahnhof
Pisas Centro Storico
Vom Bahnhofsvorplatz gehen wir hinüber zur weitläufigen Piazza Vittorio Emanuele II. Im Zentrum des Platzes steht das Denkmal des ersten Königs des geeinten Italiens. Vittorio Emanuele II. regierte das Land zwischen 1861 und 1878.
Piazza Vittorio Emanuele ll.
Wir folgen der von der Piazza Vittorio Emanuele II. abgehenden Straße Corso Italia. Auf unserem Weg zum Arno passieren wir Läden bekannter Marken, die nicht in modernen Geschäftshäusern sondern in Stadtpalästen des Centro Storico, des historischen Ortskerns residieren.
Stadtpaläste des Corso Italia
Der Corso Italia endet an der Logge dei Banchi. Der einstige Woll- und Seidenmarkt entstand zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Die Logge besticht durch eine Bogendecke, die auf zwölf mächtigen Quadersäulen ruht. Es heißt, der Bau sei ursprünglich wesentlich größer gewesen.
Logge dei Banchi
Wir sind an der Brücke Ponte di Mezzo angelangt und überqueren den Arno. Unsere erste Station nach der Brücke ist die Piazza Garibaldi. Standbilder des italienischen Freiheitskämpfers Giuseppe Garibaldi stehen gefühlt in jeder italienischen Stadt, so auch in Pisa.
Piazza Garibaldi
Hinter der Piazza Garibaldi wechseln wir in die Ladenstraße Borgo Stretto. Arkaden, schicke Läden, Bars und Restaurants laden zum Bummeln ein. Ein Blickfang der Straße ist die Kirche San Michele in Borgo. Ein erster Bau stammte aus dem 11. Jahrhundert. Ihr heutiges Erscheinungsbild mit drei prächtigen, übereinander liegenden gotischen Loggien erhielt sie im 14. Jahrhundert.
Piazza dei Cavalieri
Etwas später biegen wir nach links in die Via Ulisse Dini ein. Unser nächstes Ziel ist die Piazza dei Cavalieri, der Platz der Ritter. Die riesige Fläche war zu Zeiten der Medici der weltliche Zentralplatz Pisas. Um ihn herum erstreckt sich ein Ensemble bemerkenswerter Bauten:
Der Palazzo dei Cavalieri
Der leicht geschwungene prachtvolle Palast der Ritter des Stephans-Ordens wurde zwischen 1562 und 1564 errichtet. Graffitis allegorischer Figuren und Tierkreiszeichen schmücken die Fassade. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Bauwerk mit Büsten der Großherzöge der Toskana und einer monumentalen Außentreppe aufgewertet. Der Palazzo wird heute als Standort der Elitehochschule Scuola Normale Superiore genutzt.
Palazzo dei Cavalieri
Palazzo dell´Orologio
Der Palazzo dell´Orologio, der Uhrenturm, wurde auf zwei alten Bauwerken, dem Hungerturm und dem Stadtgefängnis, errichtet.
Palazzo dell'Orologio
Das Collegium Puteanum
Der ansprechende Bau war eines von vier historischen Collegien Pisas.
Collegium Puteanum
Die Kirche Santo Stefano dei Cavalieri
Die Kirche war den Mitgliedern des St.-Stephans-Orden vorbehalten. An der Fassade wechseln sich Marmorelemente in weißer, rosa und grüner Farbe ab. Auffällige Attribute der Außenfront sind das Kreuz des hl. Stephan sowie das Wappen der Medici.
Kirche Santo Stefano dei Cavalieri
Piazza del Duomo
Touristenscharen bevölkern jeden Tag die Piazza del Duomo, oder wie der Volksmund sagt, die „Piazza dei Miracoli“.
Piazza del Duomo mit der Lupa Capitolina
Die riesige Grünfläche der Piazza grenzt an die Reste der historischen Stadtmauern.
Reste der Stadtmauer mit Porta di Leone und Torre di Santa Maria
Der Platz repräsentiert mit dem Duomo Santa Maria Assunta, dem Schiefen Turm, dem Baptisterium und dem Camposanto Monumentale vier Meisterwerke der mittelalterlichen Architektur. Die Bauten zählen seit 1987 zum UNESCO Welterbe. Ihretwegen besuchen wir Pisa.
Duomo Santa Maria Assunta
Mit dem Bau der Kathedrale, Pisa ist Sitz eines Erzbistums, wurde im Jahr 1064 begonnen. Die Bauzeit betrug mehr als 200 Jahre. Die feierliche Eröffnung fand unabhängig davon im September des Jahres 1118 statt. Nach seiner Fertigstellung galt der Dom als Maßstab für den Bau anderer Gotteshäuser, beispielsweise den Dom von Florenz. Die Fassaden sind mit Carrara-Marmor verkleidet. Vielfach fanden „gebrauchte“ Materialien römischer Bauten Verwendung. Finanziert wurde das epochale Bauvorhaben aus Schätzen, die den Sarazenen bei Seekriegen abgerungen wurden. Belegbare Fakten für diese These gibt es nicht.
Zu stetigen bauseitigen Veränderungen und Verschönerungen kam es in den folgenden Jahrhunderten. Ein verheerendes Feuer im Jahr 1595 erforderte eine grundlegende Erneuerung des Gotteshauses. Zwischen 2014 und 2018 wurde die Kathedrale ein letztes Mal renoviert. Sie ist ein wunderbares Gesamtkunstwerk.
Mosaik des Christus Pantokrator im Dom zu Pisa
Der Schiefe Turm
Pisas Wahrzeichen war von Anfang an als freistehender Glockenturm der Kathedrale geplant worden. Im Jahr 1173 begannen die Arbeiten an dem Campanile. Zwölf Jahre später waren die ersten drei Etagen des Turms vollendet.
Duomo Santa Maria Assunta und Schiefer Turm
Als sich wegen mangelnder Standfestigkeit des Baugrunds der Turm nach Südosten neigte, stockte das Bauvorhaben für mindestens 100 Jahre. Danach wurde mit geänderter Statik und frischem Geld weiter gebaut. Endgültig fertiggestellt war der Marmorbau im Jahr 1372. Anstatt, wie ursprünglich geplant, eine Höhe von 100 Metern zu erreichen, schloss er mit 58 Metern Höhe ab. Der Durchmesser des Campanile beträgt 15 Meter.
Schiefer Turm - Detail
In den 1990er-Jahren wurde der Schiefe Turm wegen Einsturzgefahr für Besucher gesperrt. Der Bau wurde im Anschluss saniert und im Jahr 2001 wieder eröffnet. Die Neigung liegt derzeit bei rundgerechnet vier Grad.
277 Stufen erfordert es, um zur Glockenebene zu gelangen. Für die Turmbesteigung werden termingebundene Karten ausgegeben.
Kosten: 18 Euro. Maximal 50 Besuchern wird pro Viertelstunde Zutritt zum Turm gewährt.
Baptisterium – die Taufkirche des Doms
Pisas Baptisterium ist Italiens größte Taufkirche. Der freistehende, kreisförmige Bau ist 55 Meter hoch; sein Umfang beträgt 107 Meter. Die Bauarbeiten begannen im Jahr 1152. Es bedurfte mehr als zweier Jahrhunderte bis im Jahr 1394 die gewaltige Kuppel vollendet war.
Baptisterium, Camposanto Monumentale und Porta Leone
Im Inneren tragen 12 Pfeiler und Säulen eine umlaufende Empore. Diese ist über 69 Stufen zugänglich. Von der Höhe blicken Besucher auf das achteckige Taufbecken und die sechseckige Kanzel. Von der Empore sind der Dom, die Stadtmauer und die Piazza del Duomo gut zu sehen. Das Baptisterium besitzt eine hervorragende Akustik. Mehrfach täglich geben Aufsichtspersonen kurze Proben dieses Phänomens.
Eintrittspreis Baptisterium: 5 Euro. Sofern weitere Bauten des Domplatz-Ensembles besichtigt werden, verringert sich der Eintrittsprei.
Der Camposanto Monumentale
Das monumentale Gebäude entstand als letztes Bauwerk der Piazza del Duomo. Anliegen dieses Bauvorhabens war es, den jahrhundertlang um die Kathedrale angelegten Gräbern einen würdevollen, abgeschlossenen Platz zu geben. Zu diesem Zweck wurde der Hallenbau geschaffen.
Camposanto Monumentale - Außenfront
Vom 14. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts wurden die Innenwände des Camposanto durch wundervolle Freskenmalereien verschönert. Bei allen Fresken standen die Themen Leben und Tod im Mittelpunkt.
Auf dem Friedhof fanden die berühmtesten Gelehrten der Universität von Pisa sowie Mitglieder der Familie Medici ihre letzte Ruhestätte. Der Laizismus zu Beginn des 19. Jahrhunderts bewirkte, dass sich der Friedhof zum Museum wandelte.
Camposanto Monumentale - Vortrags-und Ausstellungsbereich
Eintrittskarten für die Bauten sind im an den Camposanto Monumentale anschließenden Palazzo dell’Opera zu kaufen.
Der Weg zurück zum Bahnhof
Wir haben genug gesehen und bewundert. Der Rückweg zum Bahnhof führt durch das Universitätsviertel, vorbei am kleinen Botanischen Garten, dem Orto Botanico.
Der Orto Botanico im Universitätsviertel
Diesmal queren wir den Arno mittels der Ponte Solferino. Einer unserer letzten Programmpunkte ist die Chiesa Santa Maria della Spina. Sie ist lediglich eine kleine Kirche aus dem 13. Jahrhundert; allerdings besitzt sie eine prachtvolle gotische, mit Statuen übersäte Fassade. Die Kirche ist geschlossen: Die viel gerühmten Deckenmalereien bleiben uns verborgen.
Bevor wir die Piazza Vittorio Emanuele II. vor dem Bahnhof erreichen, machen wir einen Abstecher zur Kirche Sant’Antonio abate. An der Stirnseite eines Anbaus prangt ein 150 Quadratmeter großes Wandgemälde des Malers Keith Haring. Es ist das letzte öffentliche Kunstwerk, das er zusammen mit Studenten im Laufe einer Woche schuf.
Murale Tuttomondo by Keith Haring
Zugegeben, die zuvor gesehenen Freskomalereien des Camposanto Monumentale beeindruckten uns mehr. Aber warum nicht einem anerkannten Repräsentanten der Pop-Kultur in einer Stadt wie Pisa Aufmerksamkeit schenken?
Mit Keith Haring endet unser auf eigene Faust unternommener Landausflug nach Pisa. Wir wären gern länger ist dieser geschichtsträchtigen Stadt geblieben, doch unser Kreuzfahrtschiff wartet nicht.
April 2020