Wir besuchen mit dem Kreuzfahrtschiff die namibische Hafenstadt Lüderitz, eine wenig bedeutende Kleinstadt zwischen dem Atlantischen Ozean und der Namib-Wüste. Der portugiesische Seefahrer Bartolomeu Diaz entdeckte im Jahr 1487 als erster Europäer die von ihm als „Angra Pequena“ (kleines Becken) bezeichnete Bucht.
Lüderitz – Stadtgeschichte kurz und knapp
Weniger als 400 Jahre nach Bartolomeu Diaz gründete der Bremer Tabakhändler Adolf Lüderitz im Jahr 1883 an der Bucht einen Handelsposten mit dem Namen Lüderitzort. Schon im Folgejahr gelangte die Region auf Ansinnen des Kaufmanns unter den Schutz des Deutschen Reiches. Er hoffte, auf dem zuvor als wertlos eingeschätzten Gelände Bodenschätze zu finden. Die Suche nach Bodenschätzen war allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Adolf Lüderitz war aus finanziellen Gründen gezwungen, seinen Besitz an die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika zu verkaufen. Später erhielt der Ort den Namen Lüderitz.
Lüderitz - Panorama mit Felsenkirche
Erste Diamantenfunde im Jahr 1908
Der Traum von den Bodenschätzen ging erst im Jahr 1908 in Erfüllung. Beim Sandschaufeln an den Gleisen einer Schmalspurbahn wurden im Umfeld von Lüderitz durch Zufall Diamanten entdeckt. Der Fund lockte viele Glücksritter an. Die Siedlung erblühte dank der Funde zu einer respektablen Hafenstadt. Allerdings war dies nicht von langer Dauer. Die Funktion des Handelshafens verlor Lüderitz bald darauf an die weiter nördlich gelegene Stadt Swakopmund. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs besetzten südafrikanische Truppen den Hafen von Lüderitz. Nach Kriegsende wurde die Kleinstadt Teil des von Südafrika verwalteten Mandatsgebietes Südwestafrika.
Lüderitz in der Gegenwart
Die Stadt liegt in der Region ǁKharas, dem am wenigsten besiedelten Teil des Landes. Die letzte Volkszählung des Jahres 2011 ergab 12.537 Einwohner. Diese Zahl passt optisch zum ersten Eindruck. Lüderitz ist ohne jeden Zweifel eine Kleinstadt. Im Stadtbild fallen einige Bauten der Kolonialarchitektur ins Auge. Sie würden in keiner deutschen Stadt deplatziert wirken. Ansonsten überwiegen zeitlose Zweckbauten.
Die Stadt und ihre Einwohner leben vom Hafen, vom Fischfang und der Austernzucht sowie vom Tourismus. Im Meer vor Lüderitz wird mit Spezialschiffen nach Diamanten gesucht. In der Zukunft setzt die Stadt auf Energie moderner Windkraftanlagen. Als Abnehmer des Stroms käme das benachbarte Südafrika in Betracht. Trotz dieser Zuversicht weckenden Fakten darf nicht vergessen werden, dass die Arbeitslosenquote in Namibia laut dem Statistikportal „statista“ im vergangenen Jahr bei 20,8 Prozent lag. In Medienberichten wurde vor zehn Jahren bezüglich Lüderitz sogar von einer 60-igen Arbeitslosenquote gesprochen. Es ist unklar, ob diese Zahl noch Bestand hat.
Lüderitz – Ziel der Kreuzfahrtschiffe
Die Kaianlagen der Stadt sind geeignet, kleine und mittelgroße Kreuzfahrtschiffe aufzunehmen und zu versorgen. Trotz der guten Voraussetzungen legen nur wenige Schiffe während der Kreuzfahrtsaison in den Monaten Dezember bis März in Lüderitz einen Zwischenhalt ein. Für das Jahr 2024 sind bislang zehn, vorwiegend kleine Schiffe gemeldet.
AIDAaura - im Hafen von Lüderitz
Aktivitäten der Passagiere von Kreuzfahrtschiffen
Tierbeobachtungen
Zu den Aktivitäten der Besucher zählen unter anderem Tierbeobachtungen. Die Gelegenheiten dazu sind vielfältig. Angeboten werden Besuche der Robben- und Pinguinkolonien des maritimen Umfelds sowie der Wüstenlandschaften mit ihrer einzigartigen Flora und Fauna.
Auf den sogenannten Pinguin Katamaran-Touren zur Pinguin-Insel „Halifax Island“ begegnen Teilnehmer Delfinen, Vögeln, Robben und – mit etwas Glück – auch Walen. Die Gäste genießen bei diesen Bootstouren den Blick auf den vorgelagerten Diaz Point und den dazugehörigen Leuchtturm. Apropos Robben: Es ist nicht ungewöhnlich, im Hafenbecken von Lüderitz herumtollende, putzige Robben zu sehen.
Pferdeliebhaber besuchen möglicherweise die beim Ort Garub lebenden namibischen Wildpferde. Der Ort liegt gut 100 Kilometer östlich von Lüderitz und ist über die gut ausgebaute Nationalstraße B4 zu erreichen. Der Begriff „Wildpferde“ ist irreführend. Es handelt sich um verwilderte Hauspferde. Die etwa 100 Tiere leben im ehemaligen Sperrgebiet der Diamantenminen, das seit dem Jahr 1986 den Status eines Nationalparks besitzt. Wegen fünf aufeinanderfolgender Dürrejahre sind die Tiere in der Wüstenlandschaft vom Aussterben bedroht, obwohl ihnen in Garub eine Pferdetränke geboten wird.
Die Geisterstadt Kolmanskuppe
Zu den bevorzugten Ausflugszielen zählen Touren zur bereits erwähnten, nahe gelegenen Geisterstadt Kolmanskuppe, auf Afrikaans Kolmanskop. Die zehn Kilometer von Lüderitz entfernte, aufgegebene Siedlung liegt ebenfalls an der Nationalstraße B4. Zur Zeit der Diamantenfunde galt Kolmanskuppe als reichste Stadt Afrikas. Die von Wüste umgebenen Gebäude waren zur Blütezeit der Diamantenförderung beispielhaft: Es gab hochherrschaftliche Steinbauten nach deutschem Vorbild, Verwaltungsgebäude, ein Krankenhaus, Läden, eine Kegelbahn und vieles mehr. Nach Verlagerung der Diamanten-Förderung in andere Regionen Namibias verließen die Bewohner die Siedlung, und die Wüste holte sich zurück, was ihr zeitweilig genommen wurde. Von Lüderitz werden geführte Touren in die Geisterstadt angeboten.
Rundgang durch Lüderitz auf eigene Faust
Ganz gleich, für welche Aktivität(en) sich Besucher entscheiden mögen, zum „Pflichtprogramm“ zählt ebenfalls eine Stadtbesichtigung. Die Stadt ist klein, sauber, übersichtlich und sicher. Nichts spricht gegen einen Rundgang durch den Ort und die Inaugenscheinnahme der historischen, aus der Kolonialzeit verbliebenen Bauten und einiger noch immer deutsch benannter Straßen.
Felsenkirche
Unsere Hauptsehenswürdigkeit ist die im Jahr 1912 eingeweihte Felsenkirche. Die kleine evangelisch-lutherische Kirche thront auf dem „Diamantberg“ und überragt sämtliche anderen Bauten der Stadt. Die Baumaterialien wurden, einschließlich des Sands für den Beton, mit dem Schiff aus Deutschland herangeschafft. Deutsche Spender finanzierten den Bau. Hervorgehoben werden einzelne Spenden wie das große Altarfenster und die reichverzierte Bibel. Spender waren der deutsche Kaiser Wilhelm II. und seine Gemahlin Auguste Victoria. Herzog Joachim Albrecht von Mecklenburg schenkte der Kirchengemeinde das dreiteilige Lutherfenster. Vom Standort der Kirche blicken Besucher auf die Stadt, den Hafen und die Lüderitzbucht. Sofern die Kirche geöffnet ist, lohnt ein Blick ins Kircheninnere.
Goerke-Haus
Unweit der Felsenkirche steht das Goerke-Haus. Die Kennzeichen des uneinheitlich wirkenden Gebäudes sind der Turm mit einer Sonnenuhr sowie Fachwerkelemente. Erbaut wurde das Wohnhaus für Hans Goerke, einen Offizier der deutschen Schutztruppe. Nach seiner Dienstzeit wurde Goerke Leiter einer Diamantengesellschaft. In der Gegenwart wird der Bau als Gästehaus genutzt. Es steht auf der Liste der Nationalen Denkmäler Namibias.
Standort: Diamantberg Street
Woermannhaus
Das schlicht wirkende Gebäude diente ursprünglich der Hamburger Reederei Woermann-Linie AG als Verwaltungsgebäude mit angeschlossenem Wartesaal. Das Unternehmen betrieb den Liniendienst zwischen Deutschland und Afrika. In Swakopmund/Namibia steht ein weiteres, wesentlich bedeutenderes Woermannhaus.
Standort: Hafenstraße
Lüderitz Museum
Das Museum ist auf die Geschichte der Hafenstadt und deren Entwicklung fokussiert. Wesentliche Beachtung genießt die Geologie als Voraussetzung der Minenindustrie. Weitere Exponate beziehen sich auf archäologische Funde und die Welt der Eingeborenen.
Standort: Dias Street
Das Lüderitz Museum
Bahnhof Lüderitz
Die deutsche Kolonialmacht baute im Jahr 1904 den Bahnhof in Lüderitz. Für damalige Verhältnisse soll es ein glanzvolles Bauwerk gewesen sein. Der Zweck des Bauvorhabens war die Anbindung der Hafenstadt an das Inland. Anfangs diente die Bahnstrecke dem Transport von Waffen zur Bekämpfung der aufständischen Herero- und Nama-Stämme. Im Anschluss daran partizipierte die Eisenbahn von der Diamantengewinnung. Der vormalige Personentransport ist eingestellt worden. Auf der knapp 300 Kilometer langen, sanierten Bahnstrecke zwischen Seeheim und Lüderitz transportiert die Eisenbahngesellschaft TransNamib nunmehr Manganerz. Die Rede ist von monatlich 15.000 Tonnen Mangan.
Standort: Bismarckstraße
Mai 2023