Wir besuchen im Frühjahr 2021 mit dem Expeditionsschiff WORLD VOYAGER von Santa Cruz de Tenerife kommend acht der neun Azoren-Inseln. Die erste Station unserer Reise ist Ponta Delgada auf São Miguel. Die Insel ist mit 747 Quadratkilometern Fläche die größte und für den Tourismus am besten erschlossene des gesamten Archipels.
Ponta Delgada
Wir kennen den westlichen Teil der Insel und Ponta Delgada von einem früheren Aufenthalt. Nicht vertraut sind uns das Zentrum der Insel mit der Lagoa do Fogo und Ribeira Grande, die zweitgrößte Stadt der Insel. Beides und noch mehr sehen wir im Verlauf einer Panoramatour mit dem Omnibus. Individuelle Ausflüge, wie wir sie bevorzugen, sind im Corona-Sommer 2021 auf den Azoren nicht gestattet.
Lagoa do Fogo
Die Fahrt zum Lagoa do Fogo führt in östlicher Richtung zuerst nach São Roque und danach zur Kreisstadt Lagoa. Deren Hauptattraktion ist ein am Atlantik angelegter Badekomplex mit natürlichen und künstlichen Schwimmbecken.
In der Ferne - Lagoa
Hinter Lagoa steigt die Straße stetig an. Zwischen sanft geschwungenen Hügeln liegen Bauernhäuser; auf abschüssigen Wiesen grasen Rinder. Bei unserem Halt auf der Passhöhe in mehr als 800 Meter Seehöhe weht uns ein empfindlich kühler Wind um die Nase. Weit entfernt und tief unter uns liegen die Städte Lagoa und Ponta Delgada sowie der Kratersee Lagoa do Fogo, unser zweiter Haltepunkt.
Im Jahr 1563 explodierte im Zentrum São Miguels bei einem Vulkanausbruch der Pico da Sapateira. Den Berg gibt es nicht mehr, stattdessen bildete sich eine Caldeira mit dem Lagoa do Fogo genannten See. Der Name bedeutet so viel wie „Feuerlagune“. Mit knapp 1,4 Quadratkilometern Fläche ist er der drittgrößte See der Insel. Er liegt einem Bergkessel in 575 Meter Höhe. Von einem über dem See befindlichen Aussichtspunkt genießen Besucher Panoramablicke auf den See und die ihn umgebenden, zum Teil mit Lorbeerwäldern bestandenen Berge. Dieser Miradouro ist eines der beliebtesten Ausflugsziele der Insel. Zu normalen Zeiten parken auf dem Besucherparkplatz Dutzende Busse und Minibusse; von PKWs ganz zu schweigen. Diesmal ist die Zahl der Besucher überschaubar.
Caldeira Velha
Nach weiteren sechs Kilometern erreicht der Bus das Naturschutzgebiet der Caldeira Velha, unser nächstes Etappenziel. Das kleine, eingegrenzte Naturschutzgebiet mit üppiger Vegetation und einem angeschlossenen Umweltzentrum ist ein bei Einwohnern und Touristen gleichermaßen beliebtes Ausflugsziel. Heiße Quellen, Naturduschen und in Senken befindliche natürliche Badebecken sind ein Besuchermagnet. Ein penibel gepflegter Weg, üppiger Regenwald mit subtropischen Pflanzen und hohen Farnen, Fumarolen und brodelnde Schlammtümpel tragen zur Attraktivität des Geländes bei.
Ribeira Grande
Das letzte Ziel der Busrundfahrt ist Ribeira Grande. Die vom gleichnamigen Fluss geteilte, 32.800 Einwohner zählende Kreisstadt ist eine der ältesten Gemeinden der Azoren. Bereits im Jahr 1507 erhielt sie die Stadtrechte. Die ersten Siedler und die auf sie folgenden Generationen bauten auf den fruchtbaren Böden Getreide an. Vierzehn am Fluss errichtete Wassermühlen verarbeiteten das Getreide an Ort und Stelle. Zudem wurden Wolle und Leinen produziert. Ribeira Grande entwickelte sich zu einer der größten Gemeinden an der Nordküste. Der Wohlstand währte nicht lange; im Jahr 1563 wurde Ribeira Grande durch einen Vulkanausbruch zerstört. In der Folge bauten die Einwohner ihre Stadt wieder auf. Aktuell ist Ribeira Grande ein gut frequentiertes touristisches Ziel.
Ribeira Grande - Kapelle Passo de Procissao
Unser erster Eindruck: Die Stadt wirkt, wie alle anderen Städte auf den Azoren, übersichtlich und aufgeräumt. Saubere Straßen und einige im 18. Jahrhundert errichtete, repräsentative Gebäude nehmen uns sofort für Ribeira Grande ein.
Hauptkirche und Rathaus
Eine der Hauptsehenswürdigkeiten ist die dreischiffige Kirche Igreja Matriz de Nossa Senhora da Estrela. Der Name der Kirche rührt vom Sternenkranz her, der die Madonnenfigur des Hauptaltars schmückt. Auf dem Platz unterhalb des Gotteshauses steht ein Standbild des Priesters und Geschichtsschreibers Gaspar Fructuoso. Er lebte im 16. Jahrhundert und berichtete in einem sechsbändigen Werk über die Geschichte und die Geografie der Azoren, der Kapverden und der Kanarischen Inseln. Der von einem kleinen Musikpavillon gezierte Platz wurde nach dem Priester benannt.
Das nahe bei der Kirche gelegene Rathaus gefällt uns ebenfalls. Es zählt zu den ältesten Rathäusern der Azoren. Der stattliche Bau besitzt eine breite Freitreppe, einen zwei Gebäudeteile verbindenden Bogen und einen Glockenturm.
Ribeira Grande - Rathaus
Auf dem Largo 5 de Outubro, dem von Bäumen beschatteten Platz vor dem Rathaus, stehen mächtige, rot blühende Australische Eisenholzbäume (Metrosideros).
Ribeira Grande - Australischer Eisenholzbaum am Largo 5 de Outubro
Der Stadtgarten und die historische Brücke
Neben dem Rathaus liegt ein kleiner, vom Fluss geteilter Stadtgarten. Dahinter ragt die Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Steinbrücke Ponte dos Oito Arcos auf. Der Name verrät es: Die Brücke besitzt acht Bögen.
Ribeira Grandes kulturelles Angebot
Zwei weitere bemerkenswertes Gebäude sind das im Jahr 1922 errichtete Theater und das Arquipélago – Centro de Artes Contemporâneas. Das Museum für zeitgenössische Kunst wurde in den Räumen einer aufgegebenen Likör- und Tabakfabrik eingerichtet. Die Schöpfer des Ausstellungsbereichs mischten gekonnt die historischen, aus Basaltsteinen gefertigten Strukturen mit ultramoderner Betonbauweise. Das Arquipélago präsentiert neben einer Dauerausstellung variierende Ausstellungen zeitgenössischer portugiesischer Künstler sowie Performances.
Ribeira Grande - Teatro Ribeiragrandense
Auf São Miguel gibt es noch mehr zu sehen
In Ribeira Grande endet unsere Panoramatour, der Bus bringt uns zurück zum Schiff. Nach dem Verlassen der Stadt passieren wir im Süden den ehemaligen Inselflughafen mit seiner einfachen Graspiste.
Von den beiden östlich gelegenen Teeplantagen bekommen wir nichts zu sehen. Wie gut, dass wir wenigstens die Chá Gorreana Plantage bei einem Folgebesuch kennenlernten.
Auch der noch weiter östlich gelegene Furnas-See mit den heißen Schwefelquellen und den Schlammlöchern am Nordufer wäre einen Besuch wert gewesen. Von der am Südufer des Sees im Stil europäischer Kathedralen errichteten Grabkapelle Ermida da Nossa Senhora das Vitórias ganz zu schweigen.
São Miguel steckt voller Überraschungen.
August 2023