Toamasina – ein wenig bekanntes Reiseziel
Gut 400 Seemeilen trennen die im Nordwesten Madagaskars gelegene Hafenstadt Antsiranana von Toamasina. Während der französischen Kolonialherrschaft wurde die Stadt Tamatave genannt; der Name ist heute noch vielfach gebräuchlich. Toamasina, mit 379.000 Einwohnern (Stand 2022) die zweitgrößte Stadt des Landes, liegt im Osten Madagaskars am Indischen Ozean. Der Hafen ist der größte des Landes. Die Stadt ist Provinzhauptstadt, Verwaltungssitz und Hochschulstandort. Vor allem aber ist sie – hafenbedingt – das Zentrum der madagassischen Exportwirtschaft.
Ein touristisches Ziel von internationalem Rang ist Toamasina allerdings nicht. Stattdessen nutzen die Einwohner der 350 Kilometer entfernt gelegenen madagassischen Hauptstadt Antananarivo die Stadt vielfach als Ausflugsziel. Anziehungspunkte von regionaler Bedeutung sind der in Teilen schiffbare Pangalanes Kanal und der 30 Autominuten nördlich der Stadt gelegene Ivoloina National Park.
Toamasina – der erste Eindruck
Wir lernten Toamasina vor einigen Jahren im Verlauf einer Kreuzfahrt im Indischen Ozean kennen. Vom Schiff gesehen präsentiert sich Toamasina mit breitem, naturbelassenem Strand und dichtem Baumbewuchs. Hochhäuser fehlen völlig; lediglich Kirchtürme überragen das viele Grün. Es erscheint schwer vorstellbar, dass die Einwohnerzahl bei 379.000 liegen soll.
Toamasina - Strand und Stadt
Leider legte das Kreuzfahrtschiff nur einen kurzen siebenstündigen Stopp an diesem Etappenziel ein. Für eine eigenständig organisierte Tour zu den außerhalb gelegenen Attraktionen blieb nicht genügend Zeit. Für die Erkundung der Stadt mit der Tuk-Tuk genannten Motorradrikscha reicht die Zeit aber allemal aus. Und um authentische Eindrücke von fremden städtischen Zielen sind wir stets verlegen.
Mehrere Tuk-Tuks stehen am Hafenausgang bereit. An einem Kiosk werden Voucher für Rikscha Fahrten verkauft. Für kleines Geld werden die Gäste eine Stunde durch Toamasina gefahren. Gehalten wird, wann und wo der Fahrgast es wünscht. Ansonsten folgt der Fahrer einer, die markanten Punkte im Stadtgebiet beinhaltenden Standardroute.
Wartende Tuk-Tuks am Hafenausgang
Stationen unserer Stadtrundfahrt
Ein Tuk-Tuk wirkt auf den ersten Blick winzig klein. Hat man jedoch erst einmal einen der zwei Plätze auf der Rückbank eingenommen, wirkt das urige Gefährt durchaus bequem. Um ins Stadtzentrum zu gelangen, verlassen wir den Außenbereich des weitläufigen Hafens und fahren parallel zum Sandstrand in Richtung Zentrum.
Kathedrale Saint Joseph
Am Weg liegt die Kathedrale Saint Joseph. Die mit zwei mächtigen Doppeltürmen versehene Kirche ist nicht zu übersehen. Wie nachzulesen ist, wird dort die Messe in einer Kombination aus französischer und chinesischer Sprache gehalten. Diese spezielle Situation ist dem ursprünglich hohen chinesischen Bevölkerungsanteil christlichen Glaubens geschuldet. Das Gotteshaus ist allerdings geschlossen; wir hätten es gern in Augenschein genommen.
Toamasina - Kathedrale Saint Joseph
Toamasinas Strand
Der der Kirche gegenüberliegende Strandabschnitt ist sehr breit und teilweise mit Grasinseln durchsetzt. Auch genügend dichte, schattenspendende Baumgruppen sind vorhanden. Hätten wir keine Rikscha gebucht, würde das alles zu einem Strandaufenthalt und einem Bad im Indischen Ozean einladen. Ein Besuch des Strandes erscheint uns akzeptabel, auf ein Bad sollte man jedoch verzichten. Der uns klar erscheinende Ozean ist mit industriellen Umweltgiften belastet, und außerdem sollen auch Haifische in Küstennähe auf leichte Beute lauern. Im Verlauf der Rundfahrt sehen wir noch weitere Strandabschnitte mit Sonnenschirmen und einer Anzahl Strandbars.
Avenue de l'Independance
Vor Haiangriffen muss man sich in der gradlinig angelegten Avenue de l'Independance nicht fürchten. Die vom Strand abgehende, von Palmen gesäumte Promenade ist die Prachtstraße Toamasinas. Sie besitzt zwei gegenläufige Fahrspuren und einen breiten, grünen Mittelstreifen mit Fußwegen. An der Straße liegen neben der anglikanischen Santa-Jakoba-Kathedrale einige Banken, Restaurants, das Postamt sowie mehrere öffentliche Gebäude.
Die Avenue de l'Independance stößt auf den ehemaligen Boulevard Maréchal Foch, heute Boulevard de l‘OUA. Dort, an der Stirnseite, steht das moderne Rathaus. Das Hôtel de Ville hält optisch einem Vergleich mit jedem anderen neuzeitlichen Verwaltungsbau der westlichen Welt stand. Von den Rathausstufen geht der Blick über die mit einem Brunnen geschmückte Grünanlage und wenn man sich umblickt hinaus zur Bucht von Toamasina.
Toamasinas Bazary Be
Vorbei am Bahnhof, einem Viehmarkt und durch ein Gewerbeviertel geht die Fahrt hinüber zum Bazary Be, der großen Markthalle. Hier gibt es dem Anschein nach alles, was das Herz begehrt: Garküchen, Kleidung, Lebensmittel, Möbel und anderes mehr.
Abstecher zum Strand
Unser Fahrer zeigt uns den Boulevard Joffre, danach biegt er wieder in Richtung Strand ab. Ziel sind die vielen bereits erwähnten schilfgedeckten Strandrestaurants und -bars. An einigen rauchen bereits zur Mittagszeit Holzkohlenfeuer. Auf dem schattigen Grünstreifen zwischen den Restaurants und dem Strand grasen Kühe. Einige Männer haben ihre Fahrräder abgestellt und entspannen im Schatten. In weiterer Entfernung stehen am Ufer Sonnenschirme, Tische und Stühle. Die gehören offenbar zu einem der Strandrestaurants.
Im gegenüberliegenden Hafen ragen die modernen Verladeeinrichtungen in den Himmel. Und unser Kreuzfahrtschiff liegt wie auf einem Präsentierteller vor uns.
Costa neoRomantica im Hafen von Toamasina
Toamasinas Zentral-Hospital
Als Nächstes finden wir uns in der Nähe des Leuchtturms von Toamasina wieder. Vor uns liegt das Zentral-Hospital der Stadt. Es ist eine Einrichtung der Universität von Antananarivo. Hier endet die Fahrtroute; unser Fahrer kehrt um. Eine Landmarke ist ein in einer Gartenanlage liegendes großes, völlig zerstörtes Gebäude. Es ist traurig, solche Schäden sehen zu müssen. Und auch später sehen wir noch weitere verfallene, unbewohnbare Häuser.
Der Pangalanes Kanal
Wir queren nun schon zum wiederholten Mal den Pangalanes Kanal, den längsten Kanal der Welt. Der mehr als 600 Kilometer lange, von der französischen Kolonialmacht künstlich geschaffene Süßwasserkanal verläuft parallel zur Ostküste des Landes. Der zwischen 1896 und 1904 gebaute Kanal verband Toamasina mit der weiter südlich gelegenen Stadt Farafangana. Beim Bau des Wasserlaufs wurden vorhandene Lagunen genutzt. Alten Quellen zufolge galt der Kanal zur damaligen Zeit als teuerstes französisches Kolonialprojekt. Heerscharen von Zwangsarbeitern wurden eingesetzt und unzählige Todesopfer waren beim Bau des Kanals zu beklagen. Weite Teile des Kanals sind mittlerweile versandet. Pirogen und Frachtkähne können nur noch Teile des Pangalanes nutzen. Passagieren von Kreuzfahrtschiffen wird ein Besuch des Kanals als eines der Ausflugsziele angeboten.
Toamasina - Pangalenes Kanal
Toamasinas gewerbliche Seite
Bald darauf passieren wir in einem Gewerbegebiet Dutzende geparkte LKWs, und kurz danach liegt ein Hafenbecken mit Kais und einer kleinen Werft vor uns. Von dort starten die Pangalanes-Bootstouren für Einheimische und Touristen. Einige Fahrgäste und Mengen an Gütern warten auf die nächste Abfahrt.
Straßenszenen
Auf Toamasinas Straßen geht es lebhaft zu. Last- und Personenwagen, Kleinbusse, Pousse-Pousse-Rikschas, Tuk-Tuks und merkwürdige vierrädrige von Männern geschobene Transporter erzeugen ein großes Durcheinander.
Unser Fahrer passiert währenddessen die Kirche Notre Dame de Lourdes, die größte katholische Kirche des gesamten Erzbistums Toamasina.
Toamasina - Kirche Notre Dame de Lourdes
Dann fahren wir noch einmal durch die Avenue de l'Independance. Bald darauf erreichen wir den Hafeneingang.
Toamasina - Restaurant am Wege
Fazit
Wir meiden, wo es uns möglich ist, organisierte Touren. Sie sind dem Massengeschmack angepasst, teilweise überteuert und erfordern zudem Anpassung an die Bedürfnisse der Mehrheit der Teilnehmer. In exotischen Regionen nutzen wir gern Taxen. Im Vergleich zum Taxi ist die Fahrt mit dem Tuk-Tuk jedoch erheblich authentischer.
Das Geld für diese Art von Rundfahrten ist gut investiert. Es erreicht diejenigen, die es wirklich brauchen. Das gilt im Übrigen auch für die Lenker der Fahrradrikschas. Sie stehen im Ansehen der Berufe ganz weit unten, und brauchen erst recht das wenige Geld das sie einnehmen zum Überleben. Wir empfehlen deshalb diese für westliche Vorstellungen ungewohnten Fortbewegungsmittel ohne Einschränkungen.
Update April 2024