AIDAblu – Mittelmeer 3 – 4. Schiffstag – Palermo

Autor: Wolfgang Schulz

20.08.14 Palermo / Italien

Nass bis auf den Schlüpfer - aber diesmal ohne Regen

Kennt Ihr das, abends allein an der Reling zu stehen und über das Meer zu schauen? Der Moment, wo es gerade zu dunkel zum Lesen wird, aber das Meer noch gut zu sehen ist? Wo die anderen alle schon ins Theatrium oder zum Essen strömen und kein Mensch mehr zu sehen oder hören ist? Wo nur das Meer unten rauscht, das Schiff das Meer neben sich weiß aufschäumt und eine breiter werdende Spur nach hinten hinterlässt? An dem die Hitze des Tages verschwunden ist und es richtig angenehm in der Luft ist? Wo ein leichter Seewind durch die Haare geht und den Kopf freipustet? Dieses Gefühl von Freiheit, Sehnsucht und Ruhe. Ich liebe diesen Moment und ich denke, das macht eigentlich Kreuzfahrt aus, viel mehr als das Essen, die Shows und die Ziele in aller Welt.

Jetzt war gerade so ein Moment. Aber ich fange mal heute Morgen an:

Ich will ja nicht langweilen mit meinen Lachs-Geschichten. Deshalb mache ich es kurz: Gestern gab es Lachs nur im Marktrestaurant, wo ich ihn nicht entführen konnte. Heute müssen wir ins Marktrestaurant, da aber gestern der Lachs hier war, gibt es heute nur die salzigen Lachs-Schnetzel. Kein Lachs - ich habe wieder fertig…

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Der geneigte Leser, der schon meinen letzten beiden Besuchen in Palermo gefolgt ist, mag sich erinnern, dass ich die Frage gestellt habe, ob es Italien auch ohne Regen gibt. Bisher kannten wir Palermo nur klitschnass und mit hunderten von Regenschirm-Verkäufern. Auf meinen letzten Bericht hin schlug jemand vor, ich soll es doch mal im Sommer statt im Herbst versuchen. Vielen Dank für den Tipp: Ich kann jetzt bestätigen, dass es Italien auch mit strahlendem Sonnenschein gibt. Aber klitschnass bis auf den Schlüpfer sind wir jetzt trotzdem. Doch der Reihe nach:

Nach dem Kids-Club der Kleinen und dem mittäglichen Aufstehen der Großen marschieren wir los. Da der Hafen direkt an der Stadt liegt, sind wir nicht auf die zahlreich vor dem Schiff angebotenen Taxen und Pferdekutschen angewiesen. Diesmal liegen wir auch sehr günstig, direkt am Hafenausgang. Inzwischen sind auch die Bauarbeiten weiter fortgeschritten, das ehemalige Terminal sieht schon so weit renoviert aus, dass es als solches zu erkennen ist.

Unser Ziel heute ist die Kathedrale, die wir bei den letzten Besuchen nie erreicht haben, weil wir zu viel Interessantes unterwegs entdeckt hatten. Die Entfernung von gut 1,5 Kilometern sollte auch zu schaffen sein. Zunächst gehen wir die Straße, die entlang des Hafens führt. Hier ist der Verfall allgegenwärtig. Eigentlich wäre es ganz nett, unter Säulen wettergeschützt an Geschäften und Restaurants entlang zu gehen. Aber die Restaurants sind nahezu alle geschlossen, die Läden leer. An vielen Stellen bröckelt der Putz. Selbst die Tankstelle, die diese Ladenzeile unterbricht, die letztes Jahr noch in Betrieb war, ist geschlossen. Dabei so geschickt abgesperrt, dass es nur mit Übersteigen der Absperrungen möglich ist, den Weg fortzusetzen. Oder man geht kurzzeitig auf der Straße entlang, was bei der italienischen Art, Auto zu fahren, weniger ratsam ist. An einem alten, komplett verfallenen Haus geht es dann in einen älteren Teil der Stadt, aber auch hier verfallen die historischen Gebäude.

Irgendwann erreichen wir die Via Vittorio Emanuele, die in den Plänen als eine der Hauptstraßen gekennzeichnet ist, aber deutlich schmaler ist als die anderen. Hier müssen wir abbiegen Richtung Innenstadt und Kathedrale. Im Nachhinein können wir rekonstruieren, dass wir bei den letzten Malen, bei denen wir direkt durch die Innenstadt gelaufen sind, diese Straße mehrfach überquert haben, ohne sie als Hauptstraße zu erkennen.

Ab hier zeigt sich dann auch, was wir bei den letzten Besuchen schon gesehen haben: Das Nebeneinander von Verfall und Schönheit. Viele Fassaden an der Straße sind lange nicht gepflegt worden. Aber wo man durch Tore schauen kann sieht man oft sehr schöne Innenhöfe mit hübschen Treppenaufgängen, Bäumen, Wasserspielen. Überall zweigen sehr schmale, endlos lange Gassen ab, viele wirken tot, andere sind voller Verkaufsstände. Die Bürgersteige sind teilweise etwas schmal, um alle Menschen aufzunehmen, was aber auch daran liegt, dass alle nur auf einer Seite - der Schattenseite - gehen.

Das ist auch begründet, denn die Sonne brennt unerbittlich mit 37°C. Wenn man nun hofft, dass die Häuser Schatten spenden, muss man leider erfahren, dass sich die Hitze in den Häuserschluchten staut, manchmal gemischt mit dem Geruch der Hinterlassenschaften von unzähligen Pferdekutschen oder streunenden Hunden. Das ist nicht überall in den Straßen so, aber es begegnet uns immer wieder.

So regnet es heute wirklich nicht, aber wir können gar nicht so viel schwitzen wie es heiß ist, mit dem Ergebnis, dass wir durch und durch nass sind. Die weiseste Entscheidung war daher heute, genug Wasser mitzunehmen.

Die Bürgersteige sind sicher nicht mit deutschen Bürgersteigen zu vergleichen, bei denen die Stadtverwaltung eine Klage bekommt, wenn jemand mit dem Stöckelschuh stecken bleibt und sich den Knöchel verknackst. Überall ist geflickt, deshalb ist es sicher für Gehbehinderte schwieriger, aber immer noch zu bewältigen. Aufpassen muss man nur, weil die Bürgersteige auf ganzer Breite immer wieder plötzlich zu einer Vertiefung abfallen, die zu einer Garage oder einem tiefer liegenden Eingang führt.

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Irgendwann treffen wir auf einen Platz mit einem großen Brunnen. Wir hätten schwören können, dass wir den noch nie gesehen haben, aber nach einigem Umschauen wird klar, dass wir den sehr wohl vom letzten Jahr kennen, nur von einer anderen Straße aus gekommen sind und da sah der natürlich ganz anders aus. Es handelt sich um den „Brunnen der Schande“, so genannt wegen der vielen realistisch nackten Figuren, der auf der Piazza Pretoria vor dem Rathaus steht.

Hübsch, und vor allem laden die im Schatten liegenden Treppen zum Ausruhen ein. Kurz darauf stoßen wir auf den Platz der 4 Brunnen (Piazza Quattro Canti), eigentlich nur eine kleine Kreuzung, an deren 4 Ecken jeweils ein Brunnen in die Häuserfassaden integriert ist. Hier lohnt es sich durchaus, die Brunnen näher anzusehen, aber hier stehen auch eine Reihe Pferdekutschen mit dem schon erläuterten Geruchsproblem.

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Ein Stück weiter findet sich dann in der Häuserzeile eine große Unterbrechung mit einem Platz, auf dem dann die Kathedrale von 1185 steht. Auf den ersten Blick lang, hoch, aber schmal (schaut man zum Portal hinein, sieht man auf der anderen Seite schon die offene Tür mit Autos davor). Zum Teil wird sie renoviert und ist abgehängt, der größte Teil erstrahlt aber sehr schön in einem rötlichen Stein.

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Innen bin ich zunächst enttäuscht, weil die weißen Säulen eher schmutzig als weiß leuchten. Es dauert eine ganze Weile, bis ich merke, dass dem gar nicht so ist, sondern ich die Sonnenbrille noch aufhabe… Tja, peinlich, aber was soll ich tun, die Sonnenbrille ist in meiner Sehstärke, hab ich sie auf, wirkt alles schmutzig-grau, nehm ich sie ab, ist zwar alles strahlend hell, aber ich kann nichts scharf sehen. Hm. Schlau wär es jetzt ja gewesen, meine normale Brille dabei zu haben. Tja, da kann man mal sehen, mit was für Problemen sich unschuldige Touristen rumschlagen müssen…

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Denkt man beim Reinkommen vielleicht noch: Tja, große Kirche, nett, lohnt sich das genaue Hinschauen ungemein. Taufbecken aus strahlendem Marmor, in die Geschichten aus der Bibel geschnitzt sind. Ein Altar von oben bis unten komplett aus Silber. Auf der anderen Seite ein Altar noch kostbarer aus Lapislazuli. Abgesperrt in der Seite Reliquien wie z.B. eine mumifizierte Hand. Mehrere Seitenteile sind mit schmalen Altären geschmückt, die fast gleich aussehen. Der größte, auf den ersten Blick nicht auffallende Unterschied ist, dass einer dieser Altäre einen halben Meter vorgerückt ist. Weder von vorne, noch von der Seite ist zu erkennen, dass dahinter ein schmaler Durchgang ist. Und da es nicht zu sehen ist, weisen deutlich „Toilette“-Schilder darauf hin.

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Auch die in den Boden eingelassenen Figuren oder die Schnitzereien an den Durchgängen lohnen eine genauere Inspektion. Kurz: Der Weg hat sich gelohnt und wir halten uns hier eine Weile auf. Dass es dabei auch angenehm kühl ist, ist ein schöner Nebeneffekt. Ach ja, das Besichtigen der Kathedrale ist kostenlos, Fotos sind erlaubt, allerdings kostet es, wenn man die Krypta oder den Turm besuchen möchte.

Den Rückweg nehmen wir eine andere Route, aber die diversen Sehenswürdigkeiten können nicht mehr unser Interesse wecken, insbesondere die Kleinen schleppen sich jetzt mehr durch die Hitze. Deshalb steuern wir direkt zum Schiff, wo gerade das Bella Donna noch die letzten Minuten zum Kaffee geöffnet hat, genug Zeit, um kühle Getränke zu zapfen.

Den Rest des Nachmittags genießen wir die Klimaanlage bis zum frühen Abendbrot im Marktrestaurant. Highlight heute: Kaninchenkeule in Biersauce. Und grüne Melone. Jede Menge Melone. Das soll den Leser jetzt nur beeindrucken, wie sehr wir hier auf die Gesundheit achten. Der größte Teil der Melone ist schließlich Wasser und das hat bekanntlich keine Kalorien. Dazu die Vitamine, perfekt. Was ich jetzt nicht dazu erzähle ist, dass ich an einem anderen Stand entdecke, dass einer der Kellner italienischen Landschinken frisch hauchdünn aufschneidet. Den wickele ich fleißig um die Melone (den Landschinken, nicht den Kellner).

Das Abendprogramm ist wieder für uns gemacht. In der Exklusivshow „Sezono“ stellen die Solisten, Tänzer und Akrobaten die 4 Jahreszeiten dar. Das ist wie immer perfekt gemacht. Insgesamt nicht ganz unser Geschmack, wir lieben nach wie vor die Exklusivshow der AIDAmar, „Kauri“, aber trotzdem toll umgesetzt. „Exklusivshow“ bedeutet übrigens, dass jedes der 7 Schiffe der Sphinx-Klasse (also die großen AIDA-Schiffe) eine Show hat, die es nur auf dem jeweiligen Schiff gibt.

Den Abschluss bildet heute das Soloprogramm des schwedischen Musical-Darstellers Simon Lockström „I can make you love me“. Wie immer finde ich, dass die Solo-Shows zeitlich ungünstig geplant sind mit zu vielen Alternativ-Angeboten und deshalb das Theatrium nur zum Teil gefüllt ist. Ich habe immer den Eindruck, die Passagiere unterschätzen komplett die Qualität der Solisten. Selbst wenn die Musik einem nicht immer liegt (bei einem Song von Justin Biber gehen dann einige ältere Herrschaften), wo hat man schon einmal die Gelegenheit, solch hervorragende Sänger live hautnah zu erleben? Wo sonst ist während einer solchen Show Augenkontakt mit den Darstellern möglich? Deshalb genießen wir sein Programm, und als er nach einigen ruhigeren Liedern rockiger wird, hat er das Publikum gefangen.

Die nächste Etappe sind 319 Kilometer bis Neapel

 

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